Ehrung einer tapferen Frau

  • Veröffentlicht am: 19. Juli 2005 - 22:00

Im August 2004 erreichte den Bezirksrat Südstadt-Bult ein "Offener Brief" des Südstädter Bürgers Edwin Wesemann. Seine Mutter Gertrud Wesemann habe in der NS-Zeit als Inhaberin eines Lebensmittelgeschäftes dem jüdischen Ehepaar Umansky mit Nahrungsmitteln geholfen. Dabei sei sie von Nationalsozialisten beobachtet, jedoch von anderen Mitbürgern vor der drohenden Gefahr der Entdeckung ihres Tuns gewarnt worden. Der Sohn regte an, zum Gedenken an die Mitmenschlichkeit und Zivilcourage seiner Mutter sowie derjenigen, die sie warnten, eine Gedenktafel am Hause Engelhard-/Ecke Wilhelm-Bünte-Straße anzubringen, dort, wo sich früher das Lebensmittelgeschäft befand.

Waltraud Tegtmeyer, Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen im Stadtbezirksrat Südstadt-Bult, nahm Kontakt zu Herrn Wesemann auf, verbrachte viele Stunden mit ihm und recherchierte den Hintergrund. Der Vater Ernst Wesemann wurde im März 1935 wegen Verteilens von Flugblättern (Vorwurf der Vorbereitung zum Hochverrat) verhaftet und im September 1935 vom OLG Hamm zu einer Gefängnisstrafe von sieben Monaten und zwei Wochen verurteilt, die er in Hameln verbüßte; als gebrochener und arbeitsunfähiger Mann wurde der Vater aus der Haft entlassen.

Es ist davon auszugehen, dass die Gestapo den Vater auch nach der Entlassung aus der Haft sehr wohl beobachtete. Vor diesem Hintergrund nun half die Mutter Gertrud Wesemann heimlich einem jüdischen Ehepaar mit Lebensmitteln aus ihrem Geschäft. Ein solches Handeln war streng untersagt und hätte bei Entdeckung die Familie in allergrößte Schwierigkeiten gebracht. Das wusste die Mutter - dennoch guckte sie nicht weg, sondern half.

Es gibt viele Gedenkstätten, insbesondere an den Orten der ehemaligen Konzentrationslager, die die Erinnerung an die Opfer und die Täter wach halten. Aber nicht nur diese zentralen Gedenkstätten sind wichtig, sondern auch die kleinen Gedenksteine der Erinnerung, an denen wir vielleicht eben mal so vorbeikommen, lesen, anfangen nachzudenken und zu fragen.

Der Bezirksrat machte sich nach der intensiven Vorarbeit der Fraktionsvorsitzenden Bündnis 90/Die Grünen Waltraud Tegtmeyer das Anliegen der Ehrung dieser tapferen Frau zu Eigen, und der Wohnungsgenossenschaft Gartenheim ist zu danken, dass die Ehrentafel am 27. Juni im Rahmen einer feierlichen Einweihung am ehemaligen Ladengeschäft angebracht werden konnte. Neben Frau Schröter hielt auch Waltraud Tegtmeyer eine kleine Ansprache.

Über Ihre Reaktion auf diesen Artikel würde sich Waltraud Tegtmeyer sehr freuen (Telefon 881256, Telefax 881281, E-Mail WaltraudTegtmeyer@T-Online.de).